Donnerstag, 27. Dezember 2012

Picco



Auf den Film heute habe ich mich lange Zeit gefreut, nicht weil das Thema so witzig ist, aber ich mag deutsche Filme. Leute die sagen aus Deutschland käme nichts was gut sei in Sachen Film, ja die haben keine Ahnung und sind voreingenommen. Auf Picco wurde ich aufmerksam im Stern oder Spiegel, wo der Film vorgestellt wurde. So grob wusste ich also dass die Geschichte sich um den Foltermord im Jugendknast, die Geschichte von Hermann H. der im Knast von Mithäftlinge gefoltert wurde bis er starb war mir sogar noch im Kopf, aber dazu in der Besprechung mehr. Der Film hatte viele Vorschusslorbeeren bekommen, hier ist die Gefahr dann immer das ich zu viel erwarte und dann enttäuscht werde.

SPOILERANFANG
Kevin ist neu im Knast im 4 Mann Zimmer der ‚Picco‘, also der Neue und in der Rangordnung ganz unten. Aber nicht nur im Zimmer hat es Kevin schwer, auch im Knast selbst bei den anderen Mithäftlingen ist der Neue erst mal ganz unten und kriegt dies auch von allen Seiten zu spüren. Auf seinem Zimmer sind Marc, der gerne alles mit den Fäusten regelt und im Zimmer den Ton angibt. Tommy der Dealer ist, wenn es so etwas im Knast gibt, der beste Freund von Marc, keine schlechte Stellung, Marc macht und Tommy ist in seinem Schatten sicher und bestätigt Marc in seinem Handeln. Dann ist da noch Andy, der eher ruhig ist, aber sich eingelebt hat im Knast und durchaus sich zu wehren weiß, vielleicht nicht mit Kraft, aber aus dem Hinterhalt.
Der einzige der Kevin nicht fertig macht ist ein anderer Häftling aus einem anderem Zimmer, sicher auch nicht die Leuchte, aber man klammert sich in der Situation an alles was da ist. Leider bekommen die anderen Insassen den Haftbefehl des Typen in die Hände und erfahren dass er mal als Stricher gearbeitet hat. In der Wäscherei kommt es zum Eklat und der Typ wird vergewaltigt als die Wärter abgelenkt werden. Kevin will helfen, doch Andy hält ihn zurück, da sonst Kevin sich in die Schusslinie bringt und auch fertig gemacht werden würde. Es kommt wie es kommen muss, in einer Nacht gibt es Geschrei im Knast, am nächsten Morgen erfährt Kevin dass der einzige Freund den er hatte den Druck nicht mehr aushalten konnte und sich umgebracht hat.
Der Neue wird erstmal begrüßt
Auch die anderen sind, egal in welcher Position sie sich befinden nicht sonderlich glücklich, Marc wird Vater und darf die Geburt auf einer DVD ansehen die ihm seine Freundin schickt, Andy hatte auch schon einen Selbstmordversuch hinter sich und nimmt jeden Abend Tabletten um einschlafen zu können. Kevin wird von seiner Freundin verlassen, da diese mit dem Druck in der Schule und zu Hause nicht mehr zurecht kommt, ihre Eltern erlauben ihr nicht mit einem Knasti zusammen zu sein und in der Schule darf sie sich ähnliches anhören. Wieder ein Stützpfeiler der Kevin weg bricht.
Doch Kevin will nicht mehr das Opfer sein im Knast, in einer Sportstunde schlägt er einen Typen nieder und im Zimmer wo er wieder den Abwasch machen soll und aufräumen für alle Insassen haut er auch auf den Tisch und zwingt Andy dazu es zu machen. Sehr zum Spaß von Marc und Tommy, die Rangordnung hat sich gewandelt und die beiden hauen auch voll mit in die Kerbe und demütigen Andy wie sie nur können.
Es  wird Wochenende, die Insassen sind nun erst mal auf sich gestellt und Andy kriegt den vollen Hass seiner Mitbewohner ab, das ganze Steigert sich immer mehr bis die Spirale nicht mehr aufzuhalten ist. Mit einem Besenstil wird Andy vergewaltigt und ins Gesicht geschlagen bis zur Bewusstlosigkeit. Doch wie soll es weiter gehen? Eine Pro und Contraliste über Andy wird gemacht, Kevin ist der der am meisten Contra gibt um Andy zu schonen, doch die Pros sind einfach vom Gewicht her für Marc und Tommy mehr. Andy muss weg, wenn der sie anzeigt sitzen sie noch länger. Da er sich schon mal was antun wollte muss er sich halt ‚weghängen‘.  Doch ganz egal was die drei mit Andy machen, er will nicht sterben und will sich nicht selbst umbringen. Tommy und Marc setzen Kevin solange unter Druck bis er Andy, dem sie schon ein Galgen aus Bettlaken gebaut haben, den Stuhl wegzieht. Marc und Tommy halten Kevin dann auch davon ab Andy zu helfen. Am Morgen rufen sie die Wärter, sie hoffen darauf nun früher raus zu kommen, da das passieren kann wenn jemand sich in der Zelle das Leben nimmt. Das schlechte Gewissen nagt an allen, niemand wollte den Mord, es hat sich immer mehr hochgeschaukelt. Man muss nun zusammen halten erklärt Marc und wenn das nichts hilft war es ja Kevin der Andy letztlich umgebracht hätte.
SPOILERENDE

In der Rangordnung ist Kevin nicht sehr weit oben.
Heftiger Film und der ganze Spaß dann ab 16, da man sich mit Gewaltszenen zurückhält, was nicht heißt dass sie nicht geschehen. Aber etwa die Vergewaltigung, man zeigt hier nur das Gesicht des Opfers und anschließend einen blutigen Klobürstenstiel  in die Ecke fliegen. Kritiker sahen ja eine Gewaltverherrlichung in dem Film, was ich gar nicht erkennen kann, der Film ist hart, aber man leidet mit den Opfern mit. Man nimmt die Gewalt nicht als Spaß wahr, wie es etwa bei Actionfilmen der Fall wäre.
Picco wurde durchaus auch in Jugendgefängnissen gezeigt, wie in den Extras erklärt wird, hier waren gerade am Anfang dumme Sprüche der Zuschauer zu hören und Zustimmung beim runter machen von Schwächeren, während am Ende es komplett ruhig war und die Zuschauer mehr auf den Boden als auf den Bildschirm schauen. Einige der Zuschauer meinten nach dem Film dass sie heute nicht hier wären wenn sie den Film früher gesehen hätten.
Nun aber zu sagen dass Picco die Gesellschaft ändern will, wäre wohl zu viel, der Film zeigt eher Missstände auf und das tut er in dem er niemanden wirklich als Täter hinstellt oder anprangert. So ist die Figur des Kevin geschickt gewählt, Kevin ist kein böser Mensch, er besitzt Mitgefühl und ein Gerechtigkeitssinn, dennoch wird er ein Täter. Auch Marc wird nicht als skrupelloses Monster hingestellt, keiner der 3 Täter wird dies. Dennoch geschieht die Tat, weil es irgendwann zu spät ist einfach aufzuhören.

Fiktion oder Realität?
Picco ist nach einer wahren Begebenheit gedreht, dem Foltermord im Siegburger Knast an Hermann H., trotzdem ist Picco keine 1:1 Verfilmung der Ereignisse. Natürlich sind viele Sachen ähnlich wie man sie auch in der Zeitung hat lesen können. Bei Hermann war es dann so dass die Folterei wohl ähnlich ablief, Wochenende, langeweile, die Sache spitzt sich zu. Einzelne Dinge sind so Geschehen, etwa die Vergewaltigung oder dass das Opfer die Wächter rief ein Mithäftling dies aber als Scherz hinstellte. Das sich die Zellennachbarn über den Lärm beschwerten. Das man von ‚weghängen‘ spricht und hofft dann früher raus zu kommen, das man eine Pro und Contraliste anfertigt. Das weghängen selbst war wohl aber noch heftiger. So riss der Strick wohl in echt mehrfach und da Hermann immer noch lebte bot man ihm noch eine letzte Zigarette an da er sich die verdient hätte.
Die Dinge die vorher geschehen aber sind nicht exakt so bei der Sache in der Haftanstalt in Siegburg geschehen. Regiesseur Patrick Koch, hatte in der Vorarbeit viel mit Häftlingen gesprochen und war in Jugendgefängnissen unterwegs um sich ein Bild zu machen wie die Menschen hier leben. So sind Szenen wie die Geburt des Kindes auf DVD zu sehen vielleicht nicht in Siegburg geschehen, aber durchaus keine Fiktion.
Man hatte für den Film das Glück ein stillgelegtes Gefängnis nutzen zu können, die Schmierereien am Anfang sind zum Beispiel nicht für den Film entstanden, sondern man filmte halt einfach die Wände der Zellen ab.

Bildunterschrift hinzufügen
Als letztes dann noch ein Wort zu den Darstellern die doch eher unbekannt sind, aber eine großartige Leistung vollbringen. Constantin von Jascheroff ist der Bruder von ‚GZSZ John‘ Felix von Jascheroff .Es wäre nun aber etwas fies den Darsteller darauf zu reduzieren, denn sein Vater war die Synchronstimme von Mickey Mouse! Ok, aber auch Constantin hat schon ein wenig was im Leben gemacht, so war er bei Star Wars Episode I die Synchronstimme von Anakin. Jargo ist zum Beispiel dann noch ein Film mit ihm, in deutschen Serien war er auch schon gut vertreten: In aller Freundschaft, Schloß Einstein oder Alarm für Kobra 11, stehen hier auf dem Zettel und auch als Musiker ist er aktiv. Nun also der Kevin in Picco und das verdammt stark, wenn wir von dem Herren nicht noch mehr hören fresse ich nen Besen.
Der Darsteller von Marc kam mir auch bekannt vor, sein Name Frederick Lau, sagte mir aber nicht. Ein Blick auf seine bisherigen Rollen macht aber deutlich dass Frederick schon recht viel gemacht hat und sicher ist er mir in 'Die Welle' aufgefallen. Weitere Filme mit ihm wären 'Türkisch für Anfänger' oder 'Neger, Neger Schornsteinfeger'. Auch in der Fernsehlandschaft tummelt er sich: Mehrere Auftritte im Tatort und Gastrollen in Serien wie Doctors Diary oder Alarm für Cobra 11, Schloß Einstein.
Joel Basman ist Tommy im Film, ich finde diese Rolle ist die die am blassesten bleibt. Vielleicht auch weil Szenen die Tommy umschreiben es nicht in den Film gebracht haben. Joel hat auch einige Dinge schon gemacht wie etwa Löwenzahn 'The Movie'. Einige Tatortrollen oder eine Rolle in Polizeiruf 110.
Bleibt der letzte im Bunde: Andy Darsteller Martin Kiefer, auch er hat schon in verschiedenen Tatorten mitgewirkt, Soko Köln, Soko Leipzig oder das Großstadtrevier.

Fazit: Großartiger Film, aber auch ein beklemmender Film, sicher nichts für schwache Nerven. Auf der anderen Seite sollte man vielleicht bei Missständen gerade nicht wegsehen und ich kann den Film daher wirklich nur jeden empfehlen! Mit ziemlicher Sicherheit ein Film der einen beschäftigt und über den man nachdenken wird. Für mich alles in allem eine Wertung von 9 von 10 möglichen Punkten.


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